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II. Die Revision des Klägers ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Zwar ist die eigentliche Seminarleistung steuerfrei, nicht aber auch die Gewährung von Verpflegung auf den Seminaren. Das vom Kläger vereinnahmte Entgelt ist daher aufzuteilen. Hierzu sind weitere Feststellungen zu treffen. |
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1. Zahlungen der Mitglieder eines Vereins wie z.B. Mitgliedsbeiträge sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG Entgelt für die Leistungen des Vereins an seine Mitglieder, wenn diese einen konkreten Vorteil erhalten (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 29. Oktober 2008 XI R 59/07, BFHE 223, 493, BFH/NV 2009, 324, unter II.2.). Die Seminarleistungen des Klägers gegenüber seinen Mitgliedern gegen gesondert vereinbartes Entgelt waren dementsprechend steuerbar. |
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2. Die durch den Kläger erbrachten Aus- und Fortbildungsleistungen waren steuerfrei. |
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a) Steuerfrei sind nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG Vorträge, Kurse und andere Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, von Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, von Volkshochschulen oder von Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken oder dem Zweck eines Berufsverbandes dienen, durchgeführt werden, wenn die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Unkosten verwendet werden. |
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§ 4 Nr. 22 Buchst. a UStG setzt Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG in nationales Recht um und ist entsprechend dieser Bestimmung auszulegen (BFH-Urteil vom 27. April 2006 V R 53/04, BFHE 213, 256, BStBl II 2007, 16, unter II.1.b). Danach befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, den Schul- oder Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung. |
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b) Bei richtlinienkonformer Auslegung von § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG sind nicht alle Vorträge, Kurse und andere Veranstaltungen zur Erlernung von Fähigkeiten oder Fertigkeiten "wissenschaftlicher oder belehrender Art" im Sinne dieser Vorschrift befreit, sondern nur diejenigen, die als Erziehung von Kindern und Jugendlichen, als Schul- oder Hochschulunterricht, als Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung anzusehen sind (BFH-Urteil in BFHE 213, 256, BStBl II 2007, 16, unter II.1.d). Dies ist im Rahmen richtlinienkonformer Auslegung des § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG von Amts wegen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 213, 256, BStBl II 2007, 16) und nicht –wie der Kläger meint– nur auf Verlangen des Steuerpflichtigen im Rahmen eines von ihm geltend gemachten Anwendungsvorrangs der Richtlinie 77/388/EWG zu berücksichtigen. Im Übrigen kommt im Rahmen der richtlinienkonformen Auslegung eine Auslegung des § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG nach Maßgabe des nationalen Berufsbildungsgesetzes nicht in Betracht (vgl. EuGH-Urteil vom 14. Juni 2007 C-445/05, Haderer, Slg. 2007, I-4841 Rdnr. 24 f.). |
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c) Im Streitfall hat das FG zu Recht die Voraussetzungen einer Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG für die durch den Kläger als Berufsverband erbrachten Leistungen bejaht. |
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aa) Nach den Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) ließen die vom Kläger veranstalteten Seminare bereits nach ihrer Thematik eine Zweckrichtung und Eignung zur beruflichen Fortbildung erkennen, wie sich aus Veranstaltungsthemen wie z.B. "Kundenbindung", "Verkaufen im Verdrängungswettbewerb" oder "Personalmanagement" ergebe. Ohne dass dies revisionsrechtlich zu beanstanden wäre, hat das FG die erforderliche Zweckrichtung und Eignung zur beruflichen Fortbildung auch insoweit bejaht, als andere Seminare dazu dienten, die Effizienz bei der Bewältigung beruflicher Herausforderungen zu verbessern und hat dabei zutreffend einen bloßen Freizeitcharakter der Seminare verneint. |
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Zu Recht hat das FG des Weiteren entschieden, dass Aus- und Fortbildung auch im Rahmen von Tagesveranstaltungen erfolgen kann. |
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bb) Das FG ist darüber hinaus auch zutreffend davon ausgegangen, dass Einnahmen dann überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet werden, wenn sie –wie im Streitfall– zumindest zur Hälfte zur Deckung der Kosten dienen. |
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Der Kläger kann sich hiergegen nicht darauf berufen, dass nach Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b zweiter Spiegelstrich der Richtlinie 77/388/EWG Dienstleistungen i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i dieser Bestimmung von der Steuerfreiheit ausgeschlossen sind, "wenn sie im wesentlichen dazu bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden". |
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Zwar mag es sein, dass der Kläger seine Seminarleistungen im Wettbewerb mit anderen Seminaranbietern erbringt. Für Tätigkeiten, die –wie im Streitfall– den Kernbereich der Befreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG betreffen, kommt jedoch ein Ausschluss nach Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b zweiter Spiegelstrich der Richtlinie 77/388/EWG nicht in Betracht. Ansonsten liefe die Befreiung in weiten Teilen leer (bereits BFH-Urteil vom 3. April 2008 V R 74/07, BFHE 221, 451, BFH/NV 2008, 1631, unter II.3.c aa). |
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3. Die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG erstreckt sich entgegen dem FG-Urteil nicht auf die Verpflegung der Seminarteilnehmer. Insoweit handelt es sich nicht um eine Aus- oder Fortbildungstätigkeit. Es liegt auch im Grundsatz keine mit der Aus- oder Fortbildung eng verbundene Dienstleistung oder eine Nebenleistung zu einer steuerfreien Leistung vor. |
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a) Nach der Rechtsprechung des EuGH gilt für die Steuerfreiheit der eng mit Aus- und Fortbildung verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen und der Steuerfreiheit als Nebenleistung Folgendes: |
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aa) Dienstleistungen und Lieferungen (Umsätze) sind nur dann mit dem Unterricht "eng verbunden" und deshalb nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei, wenn sie tatsächlich als Nebenleistungen zum Unterricht, der die Hauptleistung ist, erbracht werden (EuGH-Urteil vom 14. Juni 2007 C-434/05, Horizon College, Slg. 2007, I-4793, BFH/NV Beilage 2007, 389 Rdnr. 28). Danach gelten für die Frage, ob ein eng verbundener Umsatz vorliegt, dieselben Grundsätze wie im Verhältnis zwischen Haupt- und Nebenleistungen. |
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Maßgeblich ist daher für die Steuerfreiheit als eng verbundener Umsatz wie auch als steuerfreie Nebenleistung, dass der Umsatz oder die Nebenleistung keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung unter den bestmöglichen Bedingungen zu erhalten (EuGH-Urteil Horizon College in Slg. 2007, I-4793, BFH/NV Beilage 2007, 389 Rdnr. 29). |
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bb) Nach der Rechtsprechung des EuGH ist z.B. die entgeltliche Forschungstätigkeit staatlicher Hochschulen nicht als eng mit dem Hochschulunterricht verbundene Dienstleistung steuerfrei, da sie für den Hochschulunterricht nur nützlich, nicht aber unverzichtbar ist (EuGH-Urteil vom 20. Juni 2002 C-287/00, Kommission/Deutschland, Slg. 2002, I-5811 Rdnrn. 47 ff.). |
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Unter Bezugnahme auf sein Urteil in der Rechtssache Kommission/Deutschland in Slg. 2002, I-5811 hat der EuGH mit Urteil vom 1. Dezember 2005 C-394/04 und C-395/04, Ygeia (Slg. 2005, I-10373 Rdnrn. 27 ff.) weiter zu den mit einer Krankenhausbehandlung eng verbundenen Umsätzen nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG entschieden, dass Dienstleistungen, die wie die Zurverfügungstellung von Telefonen und die Vermietung von Fernsehgeräten an Krankenhauspatienten und die Unterbringung und Verpflegung von Begleitpersonen dieser Patienten dazu dienen, den Komfort und das Wohlbefinden der Krankenhauspatienten zu verbessern, in der Regel nicht steuerfrei sind, soweit diese Leistungen nicht zur Erreichung der mit der Krankenhausbehandlung verfolgten therapeutischen Ziele unerlässlich sind. |
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cc) Schließlich sind eng verbundene Umsätze und Nebenleistungen nach dem EuGH-Urteil Horizon College in Slg. 2007, I-4793, BFH/NV Beilage 2007, 389 Rdnrn. 38 ff. nach zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i i.V.m. Abs. 2 Buchst. b erster Spiegelstrich der Richtlinie 77/388/EWG nur steuerfrei, wenn diese Leistungen unerlässlich sind. |
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b) Nach diesen Grundsätzen ist die Verpflegung von Seminarteilnehmern im Allgemeinen entgegen dem FG-Urteil nicht als mit der Aus- oder Fortbildung eng verbundene Dienstleistung oder als Nebenleistung zur Aus- oder Fortbildung steuerfrei. Bei der Verpflegung von Seminarteilnehmern handelt es sich nicht um eine für die Aus- oder Fortbildung unerlässliche Leistung, sondern um eine hierfür nur nützliche Maßnahme, die vorrangig dazu dient, den Komfort und das Wohlbefinden bei der Inanspruchnahme der Bildungsmaßnahme zu steigern. |
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Dem steht die Senatsentscheidung zur Steuerfreiheit der durch Studentenwerke erbrachten Verpflegungsleistungen an Studenten (BFH-Urteil vom 28. September 2006 V R 57/05, BFHE 215, 351, BStBl II 2007, 846, unter II.2.a; a.A. Bundesministerium der Finanzen vom 27. September 2007, BStBl I 2007, 768) nicht entgegen. Maßgebend hierfür war, dass dem Studentenwerk als Anstalt des öffentlichen Rechts im Zusammenwirken mit den Hochschulen die soziale Betreuung und Förderung der Studenten obliegt (vgl. den Leitsatz der Entscheidung und die Gründe unter II.2.a). Damit ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar, weil der Kläger –anders als das Studentenwerk– keine Einrichtung des öffentlichen Rechts ist, die mit solchen Aufgaben betraut ist, und es an einer durch öffentlich-rechtliche Vorschriften geregelten Verbindung von Fortbildung und sozialer Betreuung (bereits BFH-Urteil vom 12. Februar 2009 V R 47/07, BFHE 225, 178, BStBl II 2009, 677) fehlt. Dass es sich um die Leistungen eines Berufsverbands an seine Mitglieder handelte, reicht insoweit nicht aus. |
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4. Die Sache ist nicht spruchreif. |
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a) Im zweiten Rechtsgang sind nähere Feststellungen zu Art und Weise der Verpflegung der Seminarteilnehmer zu treffen. Bei der Veranstaltung von Tagesseminaren kann die Gewährung von Verpflegung unter bestimmten Voraussetzungen unerlässlich sein. Zur Verpflegung von Arbeitnehmern bei Unternehmensbesprechungen hat der EuGH mit Urteil vom 11. Dezember 2008 C-371/07, Danfoss A/S, AstraZeneca A/S (Slg. 2008, I-9549 Rdnrn. 60 f.) entschieden, dass die Gewährleistung der Kontinuität und des ordnungsgemäßen Sitzungsablaufs es rechtfertigten, die Bewirtung der an Sitzungen teilnehmenden Arbeitnehmer mit Sandwichs und kalten Gerichten, die im Sitzungsraum serviert werden, nicht als unternehmensfremd anzusehen. Dementsprechend ist auch die Verpflegung mit kalten oder kleinen Gerichten im Seminarraum, wie z.B. bei Kaffeepausen, unerlässlich für die Durchführung von ganztägigen Seminaren. |
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b) Hat der Kläger danach sowohl steuerfreie als auch steuerpflichtige Leistungen erbracht und erhält er hierfür ein einheitliches Entgelt, ist der einheitliche Preis nach der einfachst möglichen Berechnungs- oder Bewertungsmethode aufzuteilen (EuGH-Urteil vom 25. Februar 1999 C-349/96, CPP, Slg. 1999, I-973 Rdnr. 31). Dies hat ggf. durch eine Schätzung nach § 162 der Abgabenordnung zu erfolgen. Hierzu sind nähere Feststellungen zu treffen. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass bei Tagesseminaren im Allgemeinen der Verpflegung im Vergleich zum Seminarprogramm keine besonders hervorgehobene Bedeutung zukommt. Dies kann es rechtfertigen, den Anteil des Entgelts für die gegenüber den Seminarteilnehmern steuerpflichtig erbrachten Leistungen in Höhe der für die Verpflegung entstandenen Kosten im Verhältnis zu den Gesamtkosten zu schätzen. Der Steuerausweis in den Rechnungen des Klägers wäre dann hinsichtlich der steuerpflichtig erbrachten Leistungen zutreffend, so dass die Klage insoweit Erfolg hätte. |
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5. Die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH gemäß Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union ist nicht erforderlich. Bestehen –wie hier– nach Auffassung des Senats hinsichtlich im Streitfall entscheidungserheblicher Auslegung der Begriffe Aus- und Fortbildung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG keine Zweifel, obliegt die Entscheidung über die Beurteilung des konkreten Sachverhalts dem nationalen Gericht. Hinsichtlich der Beurteilung des Verpflegungsanteils kam eine Vorlage im Hinblick auf die durch die EuGH-Urteile Kommission/ Deutschland in Slg, 2002, I-5811 und Ygeia in Slg. 2005, I-10373 bereits eingetretene Klärung nicht in Betracht. |
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